westfalen . . . alles was wir wissen, in loser reihenfolge
Dienstag, 16. Februar 2010
Tendondria Helau!
kdw
am 16. Februar 2010
Klardoch, Bericht vom Rietberger Karneval, allein um dem Rheinländer mal zu zeigen wo der Schimmel die Locken hat. Und die Erwartungen waren hoch. Denn immerhin sind die Geschichten legendär:
Da gibt es den Rathausvorplatz, wo die Jugend des Dorfes vollkommen enthemmt in zunehmend matschig werdenden Kostümen zu Liedern feiert, die selbst auf Mallorca nicht mehr ziehen.
Da gibt es den Rathauskeller, wo man nur reinkommt, wenn der sturzbetrunkene Türsteher einen lässt (Codewort: Helau!). Draußen bleiben muss natürlich die enthemmte Jugend (s.o.), damit die örtliche C- bis G-Prominenz unter sich enthemmt sein kann. Das ist so lange lustig, bis irgendein Depp auf den Lichtschalter drückt und die Neonröhren angehen. Da sieht man dann das Elend und ahnt, wie man selbst aussehen mag, bei all der verwischten Schminke, dem Freibier und -grashüpfer.
Da gibt es natürlich die Geschichten von den Freunden, die es sich im eigenen Erbrochenen gemütlich gemacht hatten. Das ist natürlich in dem Moment alles andere als lustig, aber immerhin kann man noch Jahre später sagen: "Du schuldest mir noch einen, weil mein Papa dich damals...". Und dann lacht man in der Regel dreckig.

Und dann dieses Jahr:
Wir waren verkatert von Sonntag abend, nach dem Umzug war uns kalt, vor dem Rathaus waren alle jünger als wir und wir waren zu nüchtern, um uns in den Keller zu trauen.

Schön wars trotzdem.

Aber früher war irgendwie mehr Lametta...

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Superbrisantes westfalenkritisches Gastposting
herzbruch
am 16. Februar 2010 im Topic 'kommunikation'
auf anfrage von herrn vert schluepfe ich kurz in die rolle der ehemaligen westfaelin mit rheinisch/niederlaendischem migrationshintergrund. 9 jahre muenster, was aufgrund der bevoelkerungsstruktur vermutlich weniger westfalenerfahrung ist als eine woche telgte, aber ich bin ja auch ein bisschen rumgekommen. waehrend dieser diskussion kam mir jedenfalls die idee, ich koennte ja ein westfalenkritisches gastposting zum thema westfalenhumor beitragen.

jedenfalls war es so: als student ist man ja arm, und wenn man betrunken gitarre spielen kann, macht man halt musik in kneipen, wo die leute betrunken genug sind, dass sie das sogar zu wuerdigen wissen. wir waren also zwei maedchen mit zwei gitarren, die lustige arrangements von deutschen liedermacherliedern sangen, gerne mit schmutzigen schimpfwoertern. in muenster kam das gut an, alle vier wochen einen hunni und ein warmes essen (kein spass, das waren unsere konditionen) rotierten wir durch zwei kneipen und mussten das nach ein paar mal nicht einmal mehr mit flyern ankuendigen, da die kleinanzeige in der mz reichte, um dem wirt ein gutes geschaeft zu versprechen. unser erfolgskonzept war recht einfach: hauptsache wir haben spass und kriegen gin tonic umsonst, ganz ohne karriereambitionen (wegen kein spass, ausserdem wird man ja geisteswissenschaftler, und das ist ja erwiesenermassen eine gelddruckmaschine). nun kam meine mitspielerin aus warendorf (waahndoof gesprochen), und irgendwann wurde tante hede 80. die mutter der mitspielerin fand, wir sollten doch ein bisschen was spielen, vielleicht nicht 'posex und poesie', und auch nicht 'ich schaeme mich beim wichsen', aber das mit der fliege sei doch lustig. also fuhren wir mit der hellblauen ente nach milte, das ist da, wo es keinen handyempfang mehr gibt, um tante hede ein staendchen zu bringen. ueberambitionierte familienmitglieder hatten sogar verstaerker und mikros, leider keine mikrostaender, aber die waren auch nicht wichtig, oma und onkel heinz hatten kein problem, eine halbe stunde bewegungslos das mikro hinzuhalten. der erfolg war ziemlich genau so, wie er auf dem 80. von tante hede in milte zu erwarten war, doch dann passierte folgendes: ein nachbar von tante hede fand uns lustig und kegelte jeden mittwoch mit karl (name erfunden da vergessen), dem mitorganisator des kleinkunst-jour fixes am warendorfer theater. dem erzaehlte er, dass da zwei maedchen aus der stadt waeren, blabla, und wir wurden gebucht. als headliner. immer noch voellig unambitioniert fanden wir das lustig, sagten zu und ueberlegten uns ein konzept: da der jour fixe zusammenfiel mit dem weltfrauentag, und dann auch noch in warendorf, stellen wir ein 40 minuten set mit liedern zusammen, die ausschliesslich von pferden oder frauen handelten. (auch erschreckend, wie viele lustige lieder von pferden handeln. wir hatten 1999 eine komplette "bloede-tiersongs tour").

eine stunde vor beginn waren wir da. soundcheck. dieses mal vier mikros, alle mit staendern. der mann an der technik war geschaetzte 16 und im gegensatz zu uns ueberambitioniert, so dass wir noch immer gelangweilt ein emoll anschlugen, als der saal (tische mit blumengedecken und wasserglaesern, kerzen von ikea) schon halbvoll war. das ist natuerlich der beste weg, die band zu entmystifizieren. als headliner kamen wir zum schluss, vor uns waren also der heinz erhard-imitator, tommi der zauberer und noch einer, den ich verdraengen musste. als es dann endlich soweit war, funktionierte von den minutioes eingestellten mikros/verstaerkern natuerlich nur eines, naemlich das auf meiner gitarre. techniker in panik, wir erbitten gin, gin gibt's nicht, vielleicht ein bier, nein danke, kein bier, bier schleimt, und wann geht's hier eigentlich weiter?

nach 20 minuten, die sich, wenn man mit einer gitarre auf dem schoss im scheinwerfer sitzt und auf 100 warendorfer runterblickt, wie 84 stunden anfuehlen, haben wir jeden einzigen lustigen spruch zum weltfrauentag verschossen, also entscheide ich gegen den willen des technikers, dass wir jetzt nur noch meine gitarre und beide stimmen verstaerken, sonst gehen gleich alle nach hause, und ich als erste.

wir spielen los. wie immer beginnen wir mit einem ganz schlimmen lied, damit man sich steigern kann, doch der warendorfer scheint das nicht zu schaetzen. verhaltenes klatschen. dann lassen wir das publikum raten, von welchem tier das naechste lied handelt. einer wacht auf und sagt "pferd". wir gratulieren. und spielen etwas eingeschuechtert los. an der stelle, an der wir uns in muenster immer ganz doll zusammenreissen muessen, weil immer alle loslachen und unser ziel eines jeden abends ist, wenigstens ein einziges lied ohne lachpause (fuer uns, wohlgemerkt) durchzukriegen, naja, an der stelle passiert - nichts. der warendorfer hoert still zu (was auch was wert ist. in muenster ist es uns einmal passiert, dass kiki ihren 40. geburtstag feierte und uns in der pause fragte, ob wir fuer sie und ihre freundinnen nicht mal 'ueber den wolken' spielen koennten. wir spielten es an, sangen "wind nord-ost, startbahn 0.3" und hoerten wieder auf, mit der bemerkung, dass wir wohl ein zielgruppenproblem haetten, woraufhin kiki und ihre freundinnen woanders weiterfeierten). zwischen zwei stuecken stecken wir immer die koepfe zusammen, so wie rockstars das machen, wenn sie schnell noch ein arrangement aendern wollen, nur das wir nichts aenderten, sondern versuchten, einzuordnen, ob wir gleich pfiffe kriegen. aber wir kriegten keine pfiffe. waehrend den stuecken hoerte der warendorfer zu, zwischen den stuecken applaudierte er. das ist auf dem papier natuerlich genau so, wie es sich gehoert, doch aus "der stadt" waren wir anderes gewoehnt.
40 minuten, wenige hoehepunkte. bei unserer melodramatischen version von 'homebanking' muss die ein oder andere mittfuenfzigerin verstohlen in ihre hand lachen, was die einzige fuer uns sichtbare gefuehlsregung ausser klatschen ist. dann ist es vorbei. wir ueberlegen uns, wir koennten uns ja schnell durch den hintereingang davonmachen, doch es muss erst noch gedankt und gewidmet und die kleinkunst in den himmel geredet werden. flucht ist also nicht moeglich, und ploetzlich stehen wir mitten zwischen den 100 warendorfern, die noch einen kunsttypischen rotwein trinken muessen. und dann das unfassbare. die erste dame kommt zu uns und berichtet, wie wahnsinnig lustig sie uns gefunden haette. und die zweite, und die dritte, irgendwann haben wir alle 100 durch. grob geschaetzt 30 rufen uns hinterher an, ob wir nicht auf dem geburtstag von ulla in fuechtorf spielen wollen. wollen wir letztendlich aber nicht, wir hatten in milte schon genug gelitten.

was will sie sagen? sie haben sich alle amuesiert. und keiner hat's gemerkt. am rhein waere das nicht passiert, und in "der stadt" auch nicht.

nachtrag: die renommierte tageszeitung "die glocke" und noch irgendein konkurrenzblatt lobten uns in hoechsten toenen. die glocke ging so weit, uns "die kulturschaffenden aus muenster" zu betiteln. vor lauter schreck haben wir uns daraufhin aufgeloest.

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